Zum Geburtstag von Norah Gwen erreichten mich vor ein paar Tagen diese berührenden Worte ihrer Mutter - zusammen mit einem bewegenden Geburtsbericht:
".... es ist fertig. Endlich. Ich war heute nochmal voll im letzten Jahr. So schade, dass ich es nicht früher geschickt habe und gleichzeitig auch so schön, dass ich mir Zeit genommen habe, ganz intensiv den Tag letztes Jahr noch einmal etwas zu durchleben.
Du warst wirklich goldwert im letzten Jahr und die Bilder sind für mich unbezahlbar. Tatsächlich ist mir heute nochmal aufgefallen, dass die Bilder mir jetzt noch wichtiger sind als letztes Jahr. Und ich denke, dass sie immer wichtiger werden. Mit der Zeit werden manche Erinnerungen blasser und dank der Bilder bilden sie das Geschehene getreu nach. Ich würde jederzeit das Geld dafür noch einmal ausgeben (und wir haben jetzt nicht Unmengen davon, d. h. mir ist es sehr wichtig). Ich finde es sehr, sehr schade, dass wir Dich nicht bei der Geburt unserer ersten Kinder dabei gehabt haben."
Vergangenes Jahr durfte ich die Familie bei der Geburt ihres dritten Kindes begleiten. Entstanden sind hierbei Erinnerungen an eine kraftvolle Hausgeburt, die hoffentlich auch Euch für Euren eigenen Weg stärken werden. Viel Freude beim Lesen!
Hinweis: Die hier veröffentlichten Geburtsberichte sind die persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen der Gebärenden. Bitte beachtet, dass Geburten sehr individuell verlaufen und die Berichte nicht die Beratung von geburtshilflichem Fachpersonal ersetzen.
Happy Birthday Gwen!
29.08.2021
Kalt ist es an diesem Tag. Deine Schwestern sind da. Es ist Sonntag. Am späten Nachmittag gehen wir alle noch eine Runde raus. Ziel ist ein Kaffee in unserem Stadtteil. Langsam geht es vorwärts. Der Bauch ist groß. Es gibt Kaffee und ein Stück Kuchen und Eis für die Schwestern. Ich spüre Dich deutlich. Morgen ist Dein ET - wir erwarten Dich aber erst in 5-8 Tagen. Keine Deiner Schwestern ist vor oder am ET geboren.
Abends gegen 22:00 Uhr spüre ich in Abständen deutlich, wie sich der Bauch zusammenzieht. Ein langer Tag war es mit viel Bewegung - das zeigt mir jetzt der Körper, denke ich. Und ich lächele, mein Körper kann es. Ich freue mich über jede dieser zarten Wehen.
Und sie bleiben.
In einem Rhythmus begleiten sie mich die ganze Nacht und lassen mich dösen, aber nicht mehr schlafen. Viel zu aufgeregt bin ich und kann es gar nicht glauben. In den sehr frühen Morgenstunden fange ich an, sie leicht zu vertönen. Meine älteste Tochter wird davon wach und wundert sich.
Es ist kurz vor sechs. Endlich, denke ich und stehe auf. Ich beschließe zu baden. Ein wohltuender Lavendelduft füllt das Bad. Die Wärme des Wassers entspannt mich und tut so gut. Dort liege ich, die Wellen hören nicht auf. Ich lächele. Dann steht der Rest der Familie auf. Wird heute der Tag sein? Ich zweifele und kann es nicht recht glauben.
Mein Partner ruft die Hebamme an. Ich möchte, dass sie einmal nach dem Menschenkind schaut nach soviel Stunden mit Wehen. Kurze Zeit später ist die Hebamme da - vollgepackt mit allen Sachen, die es für die Geburt braucht. Sie lächelt. Und strahlt sehr überzeugend aus, dass heute geboren wird.
6 cm, das ist die Arbeit der Nacht. Ich freue mich, es waren also echte Wehen und ich habe die Arbeit ganz alleine gemacht. Sie fängt an mein Kreuzbein zu massieren - das tut so gut. Die Wehen kommen noch, aber der Abstand hat sich vergrößert. Ich habe Angst vor Fehlalarm. Isabell ist auch schon da. Ganz leise setzt sie sich an die Tür. Mein Team ist komplett, ich weine. Gefühlschaos. Loslassen - ein Geburtsthema. Es ist als fällt eine Last von mir, erleichtert, traurig, dass die Schwangerschaft sich dem Ende naht. Angst und Druck, dass es nun auch geschehen soll - die Geburt - tiefe „biographische“ Gefühle. Alles ist eng miteinander verwoben.
Keine Wehen mehr. Alles ist zu viel. Verzweiflung macht sich breit. Ich bin im Zimmer. Das Team hat sich ins Wohnzimmer zurückgezogen. Alleine. Das warten mit anderen fällt mir schwer. Was passiert als nächstes? Mein Team beschließt gegen 10:00 Uhr nochmal zu gehen. Sie versichern, sofort da zu sein, wenn wir sie brauchen. Ich merke, dass mir Alleinsein gut tut. Gleichzeitig überkommt mich ein Gefühl der Einsamkeit - wann werden wir uns wiedersehen? Vielleicht erst in einer Woche?
Ich schicke auch meinen Partner weg, Geburtstagskuchen besorgen - you never know, denke ich und freue mich auf die Aussicht auf Kuchenessen nach einigen Wochen zuckerfrei.
So sitze ich mit einem großen Babybauch auf dem Ball und schaue in die Ferne. Atme und warte, Wehenpause über Stunden.
Am Nachmittag kommt die Hebamme nochmal vorbei. Wir reden. Ich bin müde. Alles ist bereit. Es ist ca. 16:00 Uhr als sie sich verabschiedet und nochmal versichert sie, sofort da zu sein, wenn wir sie brauchen. Keine 30 Minuten nachdem sie die Wohnung verlässt, kommt eine große Wehe, dann noch eine und noch eine. Schwups ist die Hebamme wieder da und auch Isabell ist wieder bei uns.
Nach einer Weile Wehenarbeit schlägt die Hebamme nochmal die Badewanne vor. Es ist schön warm. Die Wehen sind nun spür- und hörbar dynamisch. Atmen, pausieren und tönen. Die Atmosphäre ändert sich. Wird konzentrierter. Ich merke, wie sich der Wehenschmerz spürbar in meinem Körper ausbreitet, erst am Bauch, dann am unteren Rücken, dann geht es bis in die Beine.
Irgendwann ist es Zeit für einen Wechsel. Ich nehme willkürlich ein T-Shirt aus dem Schrank und lege mich in mein Bett. Muttermund nicht geöffnet. Kopf ist noch nicht tief - what? Der Marathon-Teil der Geburt beginnt. Nach einem kurzen Hin und Her öffnet sich die Fruchtblase von alleine - Gott sei Dank. Ich erwarte ein baldiges Willkommen meines Babys- aber es wird noch etwas dauern. Ich probiere verschiedene Positionen aus, „Druck ist das, was wir wollen“, höre ich die Hebamme noch sagen. Druck ist ok.
Es wir schmerzhaft. Pressdrang noch lange entfernt. Die Stimmung kippt. Ich will nicht mehr. Ich will einen Kaiserschnitt. Jetzt. Sofort. Ich will, dass es zu Ende ist. Ich kann nicht mehr.
Wir bewegen uns alle zusammen Wehe für Wehe durch das Wohnzimmer, dann bin ich auf dem Boden. Irgendwo bemerke ich so halb, dass die Hebamme zu telefonieren beginnt. Sie versucht im Kreißsaal anzurufen. Wehen kommen, unerträglich. Ich habe das Gefühl keine Luft zu bekommen - Luft, ich brauche Luft. Panik will sich ausbreiten. Ausatmen, immer mit dem Ausatmen beginnen. Mein Körper hat längst übernommen, aber so richtig will ich nicht loslassen. Ich denke „ruhig, sonnig, schön“ - Worte aus meiner Hypnobirthing-Session. In meiner Erinnerung sind es Momente, in der Realität waren es Minuten. Die Hebamme kommt zu mir auf den Boden und schaut mich an und spricht ruhig und ernst mit mir. Die Wehen bleiben super schmerzhaft. Ich schließe meine Augen.
Eine heftige Wehe kommt, Isabell ist da. Ich drücke mich schwitzend und verzweifelt an ihren Oberkörper. Jemand ist da. Sie sagt ruhig: „Carmen, dass schaffst Du, Du bist eine Kämpferin“. Ich gebe auf, es wird vorübergehen. Ich knie auf dem Boden und verspüre den Druck nachzugeben und mit zu schieben. „Pressdrang“, höre ich Isabell rufen. Die Hebamme legt das Telefon zur Seite und ist sofort da. Ich will keinen touch mehr, keine Herztöne überprüfen - so ätzend. Alle sollen weg von meinem Körper, ja doch - einen kalten Waschlappen bitte gerne. "Isabell, kannst Du hier bleiben?" Sanfter Wechsel von Isabell zu meinem Partner, denn Isabell ist ja vor allem zum fotografischen Dokumentieren da. Mir ist alles egal.
Das Schieben beginnt und noch heute haftet es mir so stark in Erinnerung. Es tut so gut, das Schieben, der Druck. Es brennt und es ist egal. Der Druck ist willkommen. Carmen - magst du den Kopf fühlen - „nein“, höre ich mich sagen. Ich will nur noch schieben. Kurze Pausen zwischen den Wehen - Stille im Raum. Heilige Pausen, höre ich die Hebamme sagen, ja heilig sind sie.
Und dann habe ich geboren. Hier zu Hause auf meinen Holzdielen im kleinsten Zimmer der Wohnung. Das kleine Menschenwesen zwischen meinen Beinen, voller Käseschmiere. Es ist ein Wunder. Sie ist ein Wunder. Erleichterung, pure Erleichterung. Geschafft.
Sie ist geboren. Unser drittes Kind. Geborgen zu Hause. Der Duft der Fruchtwassers, die Geburtsatmosphäre, das neue Leben - I love it und möchte den Moment konservieren.
Deine älteste Schwester hüpft aus dem Bett rüber zu uns und begrüßt Dich. Eine glückliche und zutiefst friedliche Atmosphäre herrscht im Schlafzimmer. Gemeinsam findet die erste Untersuchung statt. Alles auf unserem Bett.
An diesem Tag endete also die Schwangerschaft, geschah die Geburt und begann das Wochenbett. Meine Hausgeburt.
Zutiefst dankbar bin ich für meine Hebamme, Isabell und meinen Partner und deren Begleitung während diesem, einem der krassesten und rohesten Momente meines Lebens. Jede:r in ihrem/seinem Sein. Voller Unglaube, dass der 30.08.2021 wirklich Dein Geburtstag werden sollte. Die Hebamme sollte Recht behalten. Happy second birthday, meine liebe Tochter.
Weitere Einblicke in die Geburtsreportage als Slideshow findet Ihr hier:
Wünscht auch Ihr Euch die fotografische Begleitung Eurer Geburt?
Meldet Euch gerne, um mehr zu erfahren. Ihr erreicht mich telefonisch unter +49 175 1972681 oder per E-Mail an info@isabellsteinert.com
Comments